Dr. Seti Shenouda in Süddeutsche Zeitung



Süddeutsche Zeitung - Auszug aus Ägypten: Ein koptischer 

Christ flieht nach Deutschland - vor Mubarak und vor den Islamisten





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Schloetzer, Christiane

Gute Polizisten? Eine neue Erfahrung.

Auszug aus Ägypten: Ein koptischer Christ flieht

 nach Deutschland -

vor Mubarak und vor den Islamisten

Von Christiane Schlötzer

1/2/2011

Köln - Ein kahler Raum, vier Holztische, als Wandschmuck ein frommer
Spruch: "Lass Dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das
Böse mit dem Guten." Durch die Tür dringt eine Melodie, ein
Kirchenchor übt. Der Gesang ist nicht sehr kräftig, der Chor ist
klein, wie die Gemeinde.

Zu dieser Gemeinde gehören neuerdings zwei Männer, die weder gute
Sänger sind noch gute evangelische Christen. Und wegen der beiden ist
es besser, auf eine genaue Ortsangabe zu verzichten. Die Fremden hat
die Polizei gebracht, weil sie glaubt, es sei besser, wenn die zwei
Brüder aus Ägypten Versteck spielen. Auch in Deutschland.

So sitzen sie nun in ihrem Unterschlupf, im Hügelland zwischen Köln
und Wuppertal. Seti Shenouda, der ältere der Brüder, hat es
übernommen, für beide zu sprechen. Er sitzt in dem kahlen, schlecht
geheizten Gemeinderaum und atmet schwer. Erst vor ein paar Tagen hatte
der 61-Jährige einen Herzanfall. Aber über seine Gesundheit will der
Mediziner nicht reden. Er will von den Menschen reden, die ihm schon
geholfen haben in den wenigen Wochen, die er nun in Deutschland ist.
Die Unbekannten, die ihm und seinem Bruder den Weg zeigten, wenn sie
nach einem ihrer vielen Quartierwechsel ihre Unterkunft nicht mehr
fanden. Auch für die deutschen Polizisten, die sich um seine
Sicherheit sorgen, hat Shenouda nur Lob übrig.

Gute Polizisten? Eine neue Erfahrung. Die Shenoudas haben ihre
Erfahrungen gemacht mit der Polizei - mit der ägyptischen. Die
Polizisten in Ägypten haben in den vergangenen Tagen auf den Straßen
Kairos gezeigt, wie brutal sie sein können. Seti Shenouda hat sich in
seiner Heimatstadt Kairo engagiert in einem ägyptischen
Anti-Folter-Komitee. Vor etwa einem Jahr hatte die Gruppe eine
Veranstaltung geplant. Sie wollte eine Liste mit 100 Namen
präsentieren. Namen von Toten. "Diese Menschen sind in Polizeihaft
gestorben, in einem einzigen Jahr", sagt Shenouda und wiederholt die
Zahl noch einmal: "Einhundert. Das ist eine gefährliche Zahl."

Sie hatten schon zahlreiche Journalisten zu dem Termin eingeladen.
Doch zu der Veranstaltung kam es nie. Seti Shenouda und andere wurden
bedroht. Der Arzt berichtet von mehreren Mordanschlägen. "Sie haben
versucht, unser Haus anzuzünden." Auch einen Beinahe-Autounfall wertet
er als Tötungsversuch. Im vergangenen August hat er Ägypten verlassen,
zusammen mit dem Bruder Makram, einem Ingenieur, der nicht weniger
kritisch gegenüber dem Regime von Präsident Hosni Mubarak war.

Es hätte Seti Shenouda in seiner Heimat gutgehen können, wenn er
geschwiegen hätte. Er hatte eine private Klinik in Kairo, genug Geld
und Grundstücke. Aber er hat eben auch einen unerschütterlichen
Glauben an die Gerechtigkeit. Er hat ägyptische Gerichte mit Klagen
überzogen. Es waren Klagen gegen religiöse und rassistische
Hetzschriften, auch gegen solche, die von Regierungsmitgliedern
verfasst wurden - oder von islamischen Fundamentalisten. Einen ganzen
Packen Papiere hat er mitgebracht. Weil nichts anderes zur Hand war,
hat er die Kopien in ein Notenblatt gewickelt: We are going down
Jordan.

Shenouda ist Christ, Kopte. Er habe auch "viele muslimische Freunde",
sagt er, aber er fürchtet sich vor dem Einfluss der Muslimbrüder in
seinem Land. In seiner Klinik arbeiteten viele Mediziner, die zu der
eigentlich illegalen, aber in Ägypten sehr präsenten Islamistengruppe
gehören. Nicht immer hätten die Kollegen dies offen gesagt, gerade das
beunruhigte Shenouda. "Sie tragen ja keinen
Muslimbrüder-Mitgliedsausweis bei sich."

Er mag nicht glauben, dass sich die Organisation gewandelt hat, dass
sie mit Terrorgruppen inzwischen nichts mehr zu tun haben will, wie
ihre Führer sagen. Nun aber sitzt er weit weg von Ägypten, wo in
diesen Tagen die große Revolution im Gang ist - und hat nicht
aufgehört, sich zu fürchten. Er sitzt vor einem alten Computer, dem
Geschenk einer Flüchtlingshilfe, und sagt, der Laptop stamme aus
"Tutanchamuns Zeiten", weil man damit so schwer ins Internet komme. Er
will sehen, was auf Kairos Straßen geschieht, er kann kaum glauben,
dass die Menschen, die so lange Angst hatten, sich nun erheben gegen
Mubarak. Shenouda hat Angst davor, was nun kommt. Er misstraut den
Muslimbrüdern ebenso wie dem alten Regime. Was bleibt dann?

Seti Shenouda hat seinen Namen auf einer Todesliste einer
Al-Qaida-Webseite im Internet gefunden, auf der auch andere bekannte
Kopten aus Ägypten stehen. Dem Mubarak-Regime wirft er vor, in 30
Jahren Ausnahmezustand die Täter nach Anschlägen gegen Christen so gut
wie nie dingfest gemacht zu haben. "Warum wurde der Ausnahmezustand
immer nur genutzt, um gegen oppositionelle Autoren, gegen Denker und
Richter vorzugehen?", fragt Shenouda.

23 Menschen starben nach dem Anschlag auf eine Kirche in Alexandria in
der Neujahrsnacht. Danach sind auch die deutschen Behörden vorsichtig
geworden, was die Sicherheit koptischer Christen betrifft. Aber
Shenouda fürchtet sich nicht nur vor möglichen islamistischen
Attentätern, sondern auch vor Abgesandten des Regimes in Kairo. Wenn
er davon erzählt, dann klingt das bisweilen etwas wirr, vielleicht
weil solche Dinge für westliche Ohren zu sehr nach Verschwörung
klingen. Vor ein paar Wochen war er noch in Schweden, weil er glaubte,
dort leichter Asyl zu bekommen. Da habe die ägyptische Botschaft Leute
in sein Quartier geschickt, um seine Papiere zu stehlen, sagt
Shenouda. Die schwedischen Behörden haben darauf ihn und seinen Bruder
nach Hamburg abgeschoben, weil beide zunächst über Deutschland nach
Europa eingereist waren. So verlangt es das EU-Asylabkommen.

Noch ein Anruf am Montag bei Seti Shenouda: Er hat schon wieder die
Koffer gepackt. Die beiden Brüder bekommen nun ein Quartier, nicht
weit weg vom letzten, aber immerhin so weit, dass sie ihren Weg wieder
nicht alleine finden werden.

Sein Name steht im Internet.
Auf der Todesliste
einer Al-Qaida-Website.

Seti Shenouda hatte eine Klinik, Geld und Grundstücke. All dies hat er
in seiner Heimat zurückgelassen. 
Foto:csc
Christiane Schlötzer
Stellv. Ressortleiterin Außenpolitik
Süddeutsche Zeitung GmbH
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